Mittwoch, 25. August 2010

Reisevorbereitungen

Svenja Svendura montiert die Gepäckbrücke an ihrer KLX250Habe ich auch wirklich, wirklich nichts vergessen?

Der 7 Liter Tank der Cow ist rand­voll getankt und auch den neuen Ge­päck­träger habe ich schon an­ge­schraubt. Sogar ohne dabei einen Nagel abzubrechen.

Ich habe mir ein wisch- und wasserfestes MakeUp besorgt und anschließend überlegt, was ich zum Anziehen mitnehmen könnte. Ich möchte schließlich gut aus­sehen auf dem Weg vom Zelt zum Waschhaus.

Jetzt fehlen nur noch die Gast­geschenke für Frankreich. Ich habe kurzerhand die übrig gebliebenen Fanartikel zur Fußball WM­2010 aufgekauft. Einen ganzen Beutel voller kleiner Fähnchen und Deutsch­landschals.


Vielleicht kann ich in Frankreich damit ein wenig Freude bereiten. Was heißt eigentlich auf französisch: „Ihr müsst sehr, sehr stolz sein auf eure Nationalmannschaft.“? Ich habe zwar keine Ahnung, wie die überhaupt abgeschnitten haben, aber so ein Satz kommt doch immer gut an.

Für mich wird es eine ganz besondere Reise. Es ist die erste lange Tour auf der kleinen Cow und es wird hoffentlich die erste Urlaubsreise, auf der mein Passing nicht aufplatzt. Nicht wie bei meiner letzten Reise 2007, als ich in Titisee ganz höflich gefragt wurde, ob ich vielleicht ein Indianer sei?

Doch die wichtigste Frage von allen: Ist dieses neue MakeUp wirklich wischfest, oder bleibt auch diesmal mein Gesicht wieder an der Innenseite des Helms kleben, wenn ich ihn an der Tankstelle abnehme?

Svenja fährt das Motorrad zum tankenMorgen früh starte ich in Kiel und fahre südlich bis in den Pfälzerwald. Von dort nach Frank­reich in die Vogesen und weiter ins französische Zentralmassiv und in die Cevennen. Dort verliert sich meine Spur.

Fahre ich weiter bis nach Spanien? Oder über die sagenhafte Route des Grandes Alpes in die Schweiz und anschließend durch den wunderschönen Schwarz­wald nach Hause? Ich lasse mich treiben und schaue einfach mal, wer zuerst schlapp macht: Mein Dubs, oder die EC-Karte?

Samstag, 21. August 2010

Kiel bloggt

Svenja am Stand der Kieler Nachrichten
"Das ist doch ein ganz toller Artikel, den die Kieler Nachrichten über dich und deinen Blog geschrieben haben.", trom­petet es aus meinem Telefon.

"Ja, schon.", entgegne ich mit dürren Worten.

"Das ist alles? Obwohl da sogar etwas von charmant und schön ge­schrieben steht? Sonst flippst du doch beim kleinsten Kompliment jedesmal völlig aus? Ich erinnere mich noch an den einen Abend im Theater, als dieser junge Schauspieler zu dir gesagt hat..."


"Es reicht.", unterbreche ich Claudia schnell. Ich kann die alte Geschichte schon nicht mehr hören. "Ich hatte vielleicht ein halbes Glas Sekt zuviel getrunken und mein Heiratsantrag war ja auch nicht wirklich ernst gemeint."

"Ha!", lacht Claudia laut auf, so dass ich mir das Telefon ein Stück vom Ohr weghalten muss: "Das hat seine Frau damals aber völlig anders gesehen. Du hattest Glück, dass sie nur 1,60 war und du mit Pumps fast 1,90. Na gut, lassen wir das. Also, was passt dir nicht an dem Artikel?"

"Charmant und schön, ja ja.", platzt es aus mir heraus. "Das stimmt ja auch alles, aber ich hatte natürlich gehofft, die schreiben vielleicht „total schön“, oder wenigstens "sehr schön". Und nicht ein Wort von meiner ganzen Bescheidenheit und auch nicht darüber, wie schlau ich bin und dass ich irre viel Ahnung von Motorrädern hab und auch noch total gut kochen kann.

Und außerdem hatte ich es so verstanden, dass ich auf der Titelseite bin und nicht erst auf Seite 20 kurz vor den Todesanzeigen. Wer hat denn je eine Zeitung bis Seite 20 gelesen? Der ganze Artikel klingt überhaupt so, als wenn ich eine von diesen oberflächlichen Elsen bin, die immer nur geschminkt und schön sein wollen, oder?"
Schweigen in der Leitung.
"Claudia? Hast du gehört, was ich gesagt habe?"
"Äh, ja."
"Na und?"
"Aber nein, Tinky Winky.", versichert Claudia mit gequälter Stimme. "Du bist nun wirklich keine von diesen oberflächlichen Elsen, denen es nur auf ihr Aussehen ankommt."

Svenja in den Kieler Nachrichten Serie KN Kiel bloggtFazit: Ich finde es klasse, dass die Kieler Nachrichten unter der Überschrift "Kiel bloggt" eine Serie über die Kieler Bloggerszene aufgelegt haben. Hoffentlich werden noch viele weitere Kieler Blogger vorgestellt.

Ein wenig schade ist es, dass die Serie in den Kommentaren der Onlineausgabe bislang noch so wenig Resonanz findet.


Ganz nebenbei wird mir beim Lesen des Artikels bewusst, dass ich diesen Monat ein kleines Jubiläum feiern kann.

Fünf Jahre ist es her, dass ich wieder nach Kiel gezogen bin und kurz darauf den Switch von Sven zu Svenja gewagt habe und ebenso lange gibt es meinen Blog, Svenja-and-the-City. Puh, das war ein weiter Weg von hier bis heute.

Sonntag, 15. August 2010

Französisch in 14 Tagen

Zwei Cops bei Hein Gericke in Kiel"Ich will mir eine neue Motorradjacke kaufen. Kommst du mit aussuchen?"

"Wozu brauchst du denn eine neue Jacke? Die orange Endurojacke ist doch noch gut genug für deine Reise nach Masuren und durch Polen."

"Polen, Masuren? Häh? Wovon redest du überhaupt?"

"Na Moment mal. DU hast doch im Internet die große Welle gemacht, weil du wissen wolltest, ob sie dich in Polen verkloppen, wenn die erstmal raus­kriegen, dass du trans bist.
"

"Ach das.", winke ich lässig ab. "Alles Schnee von gestern. Ich habs mir anders überlegt und fahre doch lieber nach Frankreich. Die Vogesen, die Cevennen, gutes Essen, guter Wein und so weiter."

"Frankreich statt Polen. Aha. Sprichst du denn französisch?"
"Nö, kein Wort. Na und? Kann ich ja noch lernen bis dahin. Ich hab ja noch Zeit."
"Du willst in zwei Wochen französisch lernen?"
"Nein, natürlich nicht. Die zweite Woche brauch ich doch, um spanisch zu lernen, falls ich weiterfahre bis in die Pyrenäen. Und außerdem: Wie schwer kann das schon sein?"

Schweigen am anderen Ende der Leitung.
Ich: "Claudia? Bist du noch da und kommst du jetzt mit? Dann hole ich dich gleich ab."
"Wo müssen wir denn überall hin?"
"Zu Polo, Louis, Hein Gericke, Motorrad Ecke, überall eben."

Svenja Svendura bei Detlev Louis in Kiel Motorradsachen anprobieren

"Na gut, ich begleite dich, aber nur wenn du nicht wieder diese blöde Catwalk Show abziehst wie beim letzten Mal, als du den Nierengurt gekauft hast."
Warum muss Claudia nur immer so zickig sein, denke ich. "Das war keine Show. Ich musste doch sehen, ob der Nierengurt richtig sitzt und ob der auch total schön aussieht und alles."
"Und dazu musstest du unbedingt das rote Buffalo Minikleid anziehen und jeden im Laden fragen, ob du mit dem Nierengurt auch nicht fett aussiehst, ob die Farbe zu deinen Haaren passt und ob die Schuhe dazu gut aussehen?"
"Na und? Ich hole eben gerne eine zweite Meinung ein. Und außerdem wollte ich einen guten Eindruck machen, wenn ich mir neue Motorradsachen kaufe. Aber merkwürdig, dass du es erwähnst: Das Kleid habe ich heute nämlich auch wieder an..."

Svenja Svendura bei POLO in Kiel Motorradsachen anprobieren

Fazit: Die Reise nach Polen verschiebe ich. Vielleicht in ein paar Jahren, wenn nicht mehr jeder CSD von Steinwürfen begleitet wird und selbst die Reiseführer nicht mehr davor warnen müssen, sich wissentlich oder versehentlich zu outen. Das alles verunsichert mich. Stattdessen mache ich eine lange Tour durch Deutschland und Frankreich.

Svenja Svendura bei Hein Gericke in KielVon Kiel durch die Lüneburger Heide ins Weserbergland weiter in den Taunus, dann an der Mosel entlang, weiter über den Hunsrück bis in den Pfälzer Wald zum Kurven fahren. Von dort nach Frankreich in die Vogesen, wo es ein paar tolle Pässe und einsame Schotterwege durchs Gebirge geben soll. Genau richtig zum Endurowandern.

Je nach Wetter und Kondition meiner EC-Karte reite ich dann weiter nach Süden. Mal sehen, wie weit die kleine grüne Cow mich mit ihren 250 Kubik tragen wird. In ein paar Tagen gehts schon los und ich muss vorher noch jede Menge von diesem typischen Bikerzeug erledigen: Kette fetten, volltanken, Augenbrauen zupfen, zwei Sprachen lernen, sowas eben. Und was nehme ich überhaupt an Klamotten mit?

Übrigens habe ich mir letztlich bei Hein Gericke die neongelbe Goretexjacke in Extreme Wet Weather Ausstattung gekauft. Seit meiner letzten Deutschlandreise bin ich nämlich ziemlich misstrauisch geworden...

Sonntag, 8. August 2010

Angst vor Polen?

Svenja an der Landkarte Endurowandern in Masuren oder auf dem FjellOk, das ist heute etwas kompli­zierter, aber ich brauche eure Hilfe. Versucht bitte, euch kurz in meine Situation hinein­zudenken: Seit vielen Jahren bin ich mit dem Motorrad, Zelt und Schlafsack in Europa unterwegs. Zuerst als Sven und seit einigen Jahren als Svenja. Das Enduro­wandern ist mein Hobby und niemals hatte ich irgend­welche Be­den­ken um meine Sicherheit.

Mein diesjähriges Traumreiseziel liegt in Polen. Ich möchte so gerne durch Masuren fahren und mir auf einer großen Polenrundreise auch die polnischen Waldkarpaten ansehen. Polen soll wunderschön sein und ich habe Urlaub genug, um auf meiner nagelneuen grünen Cow in Ruhe durch unser Nachbarland zu reisen.

"Na und?", werdet ihr fragen, "Mach doch." Aber ganz so einfach ist das nicht, denn ich bin transsexuell.

Ein Arbeitskollege gab den Denkanstoß: "Na, ich bin ja mal gespannt, wie die auf dich reagieren werden in Polen. Wenn du da irgendwo vorfährst und den Helm abnimmst (grins).Die sind ja alle erzkatholisch."

Ich war geschockt und verunsichert. Bis zu dieser Minute hatte ich mir darüber überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich bin eine Frau und Polen ist ein modernes Land. Was soll da passieren? Für meinen Kollegen war es offenbar gar nicht vorstellbar, dass irgend jemand mich wirklich für eine Frau halten könnte, während ich daran gar keinen Zweifel hatte. Andererseits darf mein Passing* nicht der einzige Schutz sein. Bin ich nur solange sicher, wie niemand etwas Ungewöhliches an mir bemerkt? Das darf nicht die Lösung sein.

Puh, jetzt heißt es recherchieren, aber schon meine ersten Suchanfragen zur Situation Transsexueller in Polen bringen Unangenehmes zutage. Beim diesjährigen CSD in Polen kam es erneut zu Ausschreitungen gegen die Teilnehmer der Europride. Interessant finde ich, dass dabei immer wieder Rechtsradikale und Katholiken in einem Atemzug genannt werden. In einem Beitrag des Radiosenders Pride1 heißt es: "Rund 2000 Polizisten sollten die Parade schützen – dennoch kam es zu Eier- und Flaschenwürfen von Rechtsradikalen und Katholiken. ... Immer wieder werden Homosexuelle in Polen Opfer von verbalen und/oder körperlichen Anfeindungen."

Einen ähnlichen Hinweis las ich gestern in einem aktuellen Reiseführer über Polen, in dem Homosexuelle ausdrücklich darauf hingewiesen werden, sich keinesfalls zu erkennen zu geben. Und was mache ich? Wie gebe ich mich nicht zu erkennen? Ist mein Passing das Einzige, das mich vor Ärger bewahrt? Und was geschieht, wenn es aufplatzt, wenn jemand Verdacht schöpft, die Stimme, die Größe, die breiten Schultern? Was dann...?

Definition Was ist Passing?Jedenfalls bin ich jetzt total verunsichert, ob meine geplante Motorradtour durch Polen mir ein wunderbares, unbekanntes Land mit traumhaften Landschaften erschließen wird, oder ob es ein unangenehmes Spießrutenlaufen mit unbekanntem Ärger bedeutet, in dem ich in jeder Sekunde um mein Passing besorgt sein muss?

Ich könnte dem leicht ausweichen, indem ich wieder nach Skandinavien fahre, wo die Menschen tolerant und weltoffen sind und wo ich 2007 nicht die geringsten Probleme hatte, obwohl damals noch spätestens zur Mittagszeit mein Bartschatten ganz fies durchs MakeUp wucherte :-)

Fazit:
Ich bin verunsichert und deshalb benötige ich eure Hilfe. Kennt jemand von euch Polen gut genug, um etwas Sinnvolles beisteuern zu können? Die Großstädte meide ich ohnehin und über die üblichen dummen Polenklischees bezüglich Fahrzeugklau ist hoffentlich jeder längst hinweg ...

*Passing: Von anderen nicht als Transsexuelle erkannt zu werden, nennt man gutes Passing.
Meine Tipps zum Verbessern des Passings findet ihr hier... klick