Sonntag, 29. Januar 2012

Das Outing - 75 Monate danach

"Einen Moment Ruhe bitte, ihr Lieben.", rufe ich in die Runde und klopfe ener­gisch an mein Glas. Unter vielen "Psst!" und "Svenja will eine Rede halten." kehrt allmählich Ruhe ein.

"Sechs Jahre und drei Monate ist es her, dass ich euch am Ende der Frühbe­sprechung darum bat, noch einen Moment sitzen zu bleiben, weil ich eine Kleinigkeit anzusagen hatte." 

Ich nehme das Portraitfoto eines Mannes mit Dreitagebart aus meiner Mappe und halte es den Kollegen entgegen. 

"Kennt ihr diesen hier noch? Das war Sven. Seit meinem Outing ist eine Menge passiert und ich denke, ihr erinnert euch noch gut an das gruselige erste Jahr, als ich bei der Klamottenwahl ein paarmal ziemlich daneben gelegen habe, oder?!" Erleichtertes Gelächter, ich merke, wie das Eis bricht. Für die anderen ist das Thema vermutlich schwieriger als für mich.

"Ich möchte euch heute einmal danke sagen für euren Beistand und eure Geduld. Ich weiß, dass es zu Anfang nicht immer einfach war. Aber durch die tatkräftige Unterstützung unserer Krankenabteilung und mit der Hilfe von Douglas, Deichmann und H&M habe ich es dann ja doch noch ganz gut hinbekommen."

Ich sitze im Kreis meiner Kollegen in einem Besprechungsraum  des LKA und fühle mich rundherum wohl. Heute gebe ich auf meinen 50. Geburtstag nachträglich ein Essen für die Kollegen aus. Vom Partyservice unserer Küche habe ich ein Spanferkel anliefern lassen und das Essen war absolut erstklassig. Jetzt sitzen alle satt und zufrieden an ihren Tischen und hören mir aufmerksam zu.

"Ja," sagt Wolf, ein Kollege mit dem ich schon vor 20 Jahren auf dem Wagen gesessen habe, "und ich erinnere mich noch, wie wir in deinem roten Chevy Pickup zum Einsatz gefahren sind und du bei rot quer über diese riesige Kreuzung in Neumünster gedriftet bist. Wochenlang waren die schwarzen Striche zu sehen." "Stimmt, ich erinnere mich daran.", erwidere ich lachend. "Aber das war ich gar nicht,  das war noch Sven."

"Ja," erwidert Jens trocken, "und heute kannst du nicht mal mehr richtig Autofahren." Alle lachen. "Hmpff...", mache ich ein angemessenes Geräusch und gucke leicht säuerlich in die Runde.

"Jedenfalls wollte ich heute einfach mal danke sagen. Ich denke, dass haben wir zusammen ziemlich gut hinbekommen."

"Auch wenn wir dich manchmal noch ER nennen? Das ist ist aber nicht böse gemeint.", wendet eine Kollegin ein. "Man muss sich ja erst mal daran gewöhnen."

"Erst einmal daran gewöhnen...", erwidere ich leicht knurrig. "Sechs Jahre! In dieser Zeit bringe ich einem Schimpansen das Klavier­spielen bei. Vielleicht nicht auf Konzert­niveau, aber für kleinere Auftritte reicht es ganz sicher. Das sollte doch wirklich Zeit genug sein, um sich allmählich umzugewöhnen."
 
"Die Hauptsache ist doch aber, dass du glücklich bist.", sagt ausgerechnet ein Kollege, von dem ich das am wenigsten erwartet hatte. "Stimmt.", sage ich, "Und das bin ich."

Fazit: Die Landespolizei Schleswig-Holstein ist ein ziemlich moderner und aufgeklärter Haufen. Natürlich sind wir keine Kuscheltruppe und dumme Sprüche gab es hinter meinem Rücken vermutlich genug, aber ich habe mich nicht unterkriegen lassen und mich immer wieder durchgebissen. Aber solange noch Kollegen in Karottenjeans, Oberhemd und Leibchen zum Dienst kommen, werde ich nie die schrägste Gestalt in unserem Laden sein... :-)

Sonntag, 22. Januar 2012

Sechs Dinge, die ich nie wieder kaufen werde


Lady Cavendish's Alibi scheint mir mehr als dürftig zu sein, solange sie bei ihrer Behauptung bleibt, sie habe bereits geschlafen, als ihr Mann aus Badger's Drift ins Herrenhaus zurück­ge­kehrt ist. 
  
Während mein Kollege, Inspector Barnaby, ihre Aussage zu Protokoll nimmt, sehe ich mich ein wenig auf dem Landsitz der Cavendishs um, wo ich DCI Barnaby an diesem Abend bei seinen Ermitt­lun­gen begleite.

Die Kamera schwenkt nach links und fährt langsam hinüber in den Salon. Ich betrachte die Einrichtung, sehe Lampen, Möbel, Teppiche, Vasen und viele schöne Dinge.

Dabei fällt mir auf, dass sie etwas gemeinsam haben: Alle machen den Eindruck, als seien sie von hoher Qualität und schon vor langer Zeit angeschafft worden, ohne etwas von ihrer Schönheit und Funktionalität eingebüßt zu haben.

Wenn man es klug anstellt, dann braucht man einige Dinge nur ein einziges Mal im Leben zu kaufen und danach nie wieder. Vielleicht mag ich deshalb keine Sonderangebote. Mein Geld ist knapp und deshalb kaufe ich nur das Beste. Sonderangebote kann ich mir nicht mehr leisten.

Ich formuliere einen Wunsch, betrachte ihn von allen Seiten, hole Informationen ein, wäge Alternativen ab und entscheide mich am Ende für den einen, besten Gegenstand. Der soll es sein. Kein anderer. Der Preis ist nur wichtig, wenn es gleichwertige Alternativen für weniger Geld gibt.

Der alte Lord Cavendish hat die klassischen Empire Leuchter auf dem Kaminsims sicher auch nicht im Sonderangebot erstanden und was die Cavendishs mir an Geld voraushaben, das mache ich mit Geduld wieder wett, denn ich kann warten.

Was sind das für Gegenstände, die man nur ein einziges Mal zu kaufen braucht, wenn man es gleich richtig anstellt? Ich habe keinesfalls Antiquitäten im Sinn, sondern ganz alltägliche Dinge, von denen ich sogar einige bereits besitze.

Lautsprecherboxen. Ein gutes Paar Boxen hält ein Leben lang. Vor 17 Jahren habe ich  PC-Boxen von Cambridge Soundworks gekauft und noch immer stellen sie Vieles in den Schatten, das ich bisher am Computer gehört habe. Heute freue ich mich, dass ich damals etwas Gutes gekauft habe, denn seit ich keinen Fernseher und keine Stereoanlage mehr besitze, sind sie an meinem iMac doppelt wertvoll.

Ein guter Füllfederhalter. Seit 14 Jahren schreibe ich mit einem Pelikan M600 und er wird immer besser. Die Goldfeder ist inzwischen perfekt auf meine Hand eingeschrieben. In zehn oder zwanzig Jahren werde ich ihn sicher einmal zum Füllhalter Doktor zur Inspektion bringen, aber ansonsten scheint er für die Ewigkeit gemacht.

Möbel. Gute Möbel überdauern Jahrhunderte und obwohl ich möbliert wohne, habe ich doch drei eigene Möbelstücke. Einen Ohrensessel, einen Bürosessel aus Büffelleder, der seit 19 Jahren immer schöner wird und dieses wunderschöne Bett aus weißem Palisanderholz, das ich aus Indien über einen Versandhandel für Kolonialmöbel bestellt habe. Massive, alte Handwerksarbeit, unglaublich schwer, stabil und teuer, aber ich werde nie wieder ein anderes Bett kaufen müssen. 

Töpfe und Pfannen. Ein Jahr lang habe ich auf meinen Skeppshult aus gegossenem Roheisen gespart.  In keinem Topf gelingt Daube Provencale besser als in diesem. Und auf meinen Motorradreisen brate ich seit neun Jahren in einer Titanpfanne von Trangia,  die kaum mehr als 100 g wiegt und trotzdem unverwüstlich ist.

Werkzeug. Für mein Motorrad benutze ich nur Markenwerkzeug von Gedore und Hazet. Jeden einzelnen Schlüssel, jede Nuss und jeden Schraubendreher habe ich sorgfältig ausgewählt. Wer soviele Schrauben wie ich mit billigem Werkzeug aus dem Baumarkt ruiniert hat, der weiß, was gutes Werkzeug wert ist.

Messer. Mit meinem  Buck Vanguard bin ich beim Endurowandern jeder Herausforderung gewachsen, vom Schneiden der Entrecotes über Feuerholz machen, bis zur Bekämpfung Aufständischer.

Mein Leben ist übersichtlich und ich möchte nur wenige Dinge besitzen, aber die sollen von höchster Qualität sein. Sie müssen die Zeit überdauern, gut aussehen, Klasse haben und mir lange Freude bereiten. Der Preis ist nicht so wichtig, denn ich habe die Geduld, um lange für meine Wünsche zu sparen.

Fazit: Es gibt sicher noch weitere Gegenstände, die bei kluger Auswahl und angemessener Pflege ein Leben lang halten können und wo das Hochwertige und Teure am Ende das beste Angebot ist. Inzwischen achte ich darauf, möglichst nur noch solche Artikel anzuschaffen. Auf welche Gegenstände mag das noch zutreffen?

Am Ende war es übrigens doch nicht die alte Lady Cavendish, die ihrem Mann hinübergeholfen hat, sondern ein Earl of SoUndSo aus dem Ruderclub, aber die ganze Geschichte war so verworren, dass ich nicht alles verstanden habe. Barnaby hat die Sache letztlich aufgeklärt. Ich habe mehr auf die Einrichtung geachtet...

Mittwoch, 11. Januar 2012

Svenja wird 50

Heute werde ich 50 und kann kaum fassen, welch ein unglaub­lich aufregender und langer Ritt schon hinter mir liegt. Dabei habe ich es wirklich geschafft, auch wenn ich manch­mal verzweifelt war.

Kurze Bestandsaufnahme. Gesundheit? Ich bin total gesund, oder zumindest schlecht untersucht, und habe auch keine Weh­weh­chen außer diesem blöden Genick, das mal zerbrochen war. Inzwischen habe ich ein neues aus Titan und Beckenknochen, das mir fast besser gefällt, als das alte. 

Ich lebe als Frau in einem möblierten 1-Zimmer Apartment mitten in der City, zahle eine lächerlich geringe Miete und habe trotzdem einen begehbaren Kleiderschrank, einen schönen Ohrensessel und einen sensationellen Balkon, wo auf einer alten Expeditionskiste mein heiß geliebter Elektrogrill steht. Und sollte ich doch einmal neue Möbel brauchen, dann ziehe ich eben um. 

Partnerschaft? Nee, ich glaube, das ist nichts mehr für mich. Nach einer Phase der Einsamkeit bin ich heute wieder Single aus Leidenschaft und tue nur, was mir gefällt: Lesen bis der Augenarzt kommt, viel schlafen, endlos am Computer sitzen, wochenlang mit der Enduro zum Zelten fahren, immer nur Fleisch essen und nie wieder Stefan Raab im Fernsehen sehen müssen.

Freunde? Claudia und Pieps und damit der kleinste Freundeskreis der Welt. Zusammen sind wir schon über 120 Jahre alt. Drei coole Girls im besten Alter... :-)

Beruf? Ich bin schon fast 30 Jahre bei der Kripo, aber nie bin ich lieber und unbeschwerter zum Dienst gegangen, als in den vergangenen sechs Jahren. Meine Verwandelung hat dort keine allzu große Rolle gespielt und unser ärztlicher Dienst hat mir geholfen, wo er nur konnte.

Neid? Never. Ich habe doch selbst einmal ein großes Haus besessen und erinnere mich nur zu gut daran: Rasen mähen, Hecke schneiden, Zaun reparieren, Dachrinne reinigen, Heizung kaputt, wieder Rasen mähen, Schnee fegen, Straßenreinigung, Gebühren, Abgaben, nochmal Rasen mähen und dann drückt Wasser durch die Wand...

Mehr als Wohnen kann man nicht und heute brauche ich keine Viertelstunde, um mein Leben in Kiel auf Eis zu legen und mit der Enduro auf Reisen zu gehen: Ich habe keine Tiere und keine Pflanzen, alle Rechnungen werden per Lastschrift bezahlt und ich kriege auch nichts geliefert, das abbestellt werden müsste, keine Milch und keine Zeitung. 

Fazit: Heute ist mein fünfzigster Geburtstag und ich fühle mich glücklich. Mein Leben ist so, wie ich es mir eingerichtet habe. Es gibt darin auch hässliche Depriphasen, aber deren Haltbarkeit übertrifft nur noch selten die von frischen Erdbeeren.

Und würde mir nicht ab und zu ein Fingernagel abbrechen, oder eine Laufmasche meine schönen Strumpfhosen ruinieren, und bekäme Buffalo dann noch diese einen grauen Keilstiefel in 41 wieder rein, dann wäre mein Leben tatsächlich ziemlich perfekt...

Herzlichen Glückwunsch zum Fünfzigsten, liebe Svenja.